Sie befinden sich hier:

Der düstere Zwilling

separee
(Kommentare: 0)
Helena Klingler

Jede Frau erlebt die Tage vor dem Einsetzen der Regelblutung unterschiedlich. Unterleibs- oder Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Traurigkeit sind typische Beschwerden, die als prämenstruelles Syndrom (PMS) bezeichnet werden. Unsere Autorin kämpfte dageen an, bis sie für sich eine neue Strategie für die Tage vor den Tagen fand.

  • Text: Helena Klingler
    Fotos: captblack76/stock.adobe.com

Eigentlich mag ich es, unter Menschen zu sein. Aber es gibt Tage, da empfinde ich es als erdrückende Belastung, keinen Raum für mich zu haben, selbst wenn es liebe Menschen sind, die mich umgeben. Es ist dann, als wäre jedes Gefühl, jede Stimmung, die ich in meiner Umgebung wahrnehme, unfassbar vereinnahmend, und es erscheint mir, als müsse ich darin ertrinken, mich verlieren, wenn ich mich dem nicht energisch und mit aller Kraft entziehe. Winzig Kleines wird in mir groß und unerträglich. Außen erscheine ich ruhig, doch innerlich schreie ich. Eigentlich mag ich meinen Körper. Ich mag meine sportlich-runden Formen, ich bin nicht dünn, aber schlank, ich finde mich meistens schön und fühle mich wohl in meiner Haut. Aber es gibt Tage, da sehe ich im Spiegel nur zu dicke Oberschenkel, viel zu kleine Brüste, und ich diagnostiziere kritisch mindestens ein halbes Doppelkinn. Der Körper, den ich dann sehe, frustriert mich zutiefst. Eigentlich bin ich ein lebensfroher Mensch, der jedem Wetter etwas abgewinnen kann. Ich mag die wärmende Sonne ebenso wie die regnerischen Tage, bei denen mir das Herz aufgeht, wenn ich aus dem Fenster sehe und mir die Welt so frisch, intensiv und fast schon spirituell aufgeladen erscheint. Aber es gibt auch Tage, da stehe ich auf und fühle eine unfassbare Leere in mir. An diesen Tagen schwimme ich in einem Meer aus alles schluckendem Grau. Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit umspielen wie Wellen meinen Geist und kein Ufer ist in Sicht. Es fühlt sich dann an, als hätte ich mich und meinen roten Faden, meine Gefühle und Bedürfnisse irgendwo auf hoher See für immer verloren. Früher dachte ich, ich wäre einfach sehr launisch, sehr emotional und meine Stimmung sehr unbeständig. Heute erkenne ich in all dem Elend, gefolgt von wirklich wunderbaren Zeiten, ein System: Ich leide unter dem prämenstruellen Syndrom, kurz PMS, und bin damit nicht allein.

PMS hat viele Gesichter. Jede Frau, die davon betroffen ist, kennt ihre ganz eigenen Symptome, die von Tag zu Tag, aber auch von Zyklus zu Zyklus ganz unterschiedlich sein können. Die Probleme können psychisch sein, frau fühlt sich reizbar, angespannt oder einfach traurig und emotional. Aber auch als Kopfschmerzen, Brustschmerzen, Müdigkeit, Verstopfung, Wassereinlagerungen und Rückenschmerzen können sich die Symptome vor der Periode manifestieren – und dies ist nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten. Das Sortiment des PMS würde, durch sein vielfältiges Angebot, so manches Warenhaus vor Neid erblassen lassen. Leider sind die Verdächtigen in der Frage nach dem Verursacher ebenso divers. Östrogen und Progesteron stehen stark im Verdacht, durch ihre veränderte Konzentration in dieser Zyklusphase die verschiedenen Phänomene auszulösen, aber auch ein Serotoninmangel in der betreffenden Zeit ist eine mögliche Ursache. Das Hormon Prolaktin ist ebenfalls Protagonist einiger Theorien und auch ein Zusammenhang von Sport, Ernährung und Stress wird in diesem Kontext häufig erwähnt. Fest steht aber leider: So ganz sicher, woher PMS nun wirklich kommt, ist sich die Ärztewelt nicht. In einem ist sich die Wissenschaft allerdings einig: Das Elend beginnt nach dem Eisprung, wenn die fruchtbaren Tage zu Ende sind. Der Körper verändert in diesen Tagen sein hormonelles Gleichgewicht, da ihm nun entweder eine Schwangerschaft bevorsteht oder, wie in den meisten Fällen, die Periode, die für das Abstoßen der unnötig aufgebauten Gebärmutterschleimhaut und des nun überflüssig gewordenen Eis verantwortlich ist. Der Körper ist im Entrümpelungsmodus, demnächst muss alles raus. Da ist es einfach auch mal scheiß egal, wenn sich kurzfristig die Umzugskisten türmen, man über sämtliches Inventar stolpert und vor lauter Chaos nichts mehr finden kann – das Ganze dient einer größeren Sache. Beschissen anfühlen tut es sich aber trotzdem.

Die Erkenntnis, dass ich unter PMS leide, kam wie viele große Erkenntnisse im Leben: schleichend. Dass ich ein emotionaler und sensibler Mensch bin, war schon früh klar. Aber ich war definitiv ein glückliches Kind, nicht weinerlich, sondern offen für die Welt und lebensfroh. Als ich größer wurde, wurden es natürlich auch die Probleme, die man zu wälzen hatte. Ich kann rückwirkend nicht mehr genau sagen, wann das prämenstruelle Syndrom genau begann, sich häuslich bei mir einzurichten, aber irgendwann kam der Tag, an dem ich nicht mehr mit Stolz sagen konnte, dass ich fast nie weinen würde. Irgendwie war ich zu einer jungen Frau geworden, die zwar gerne sagen wollte, dass sie glücklich ist. Aber die präsente Erinnerung an regelmäßig fast depressive Tage, an denen ich mich so schlecht fühlte, dass ich an allem zweifeln konnte, trübte meine Sicht auf mich und mein Leben. Wie konnte ich mich als glücklich bezeichnen, wenn ich mich immer mal wieder grundlos so elend fühlte? Da ich PMS nicht wirklich kannte und auch keiner groß darüber sprach, konnte ich den Ursprung meiner intensiven negativen Emotionen nicht richtig einordnen und somit blieben als Schuldige nur die Situationen, die in dem Moment präsent waren, selbst wenn diese in hormon-unverfälschtem Licht betrachtet eher Schaf als Wolf gewesen wären. Ich erkannte damals leider noch nicht, dass viel Last von einem fallen kann, wenn man die Antworten nicht nur in den Strukturen des Lebens, sondern auch mit Verständnis und Wissen über den eigenen Körper sucht – Stichwort hinnehmen, nicht zerdenken.

Als es mir aber doch langsam dämmerte und ich mich bereits in der Vergangenheit in Bezug auf die Pille ärztlich sehr schlecht beraten fühlte, wechselte ich die Frauenärztin. An eben jene neue Frauenärztin wendete ich mich dann auch hoffnungsvoll, als ich erkannte, dass diese ominöse Lethargie und die meist eine Woche andauernde depressive Verstimmung schlagartig verschwanden, sobald das erste Blut den Slip verfärbte. Ich schilderte ihr meine Symptome und fragte um Rat, ihre Antwort war: „Da kann man nicht viel machen. Entweder nehmen Sie, wenn Sie das nicht eh schon versucht haben, Mönchspfeffer, oder eben die Pille.“ Als ich fragte, wie diese Mönchspfeffertropfen bei PMS denn eigentlich wirken (ich war leicht skeptisch, weil bereits drei meiner Freundinnen dieses Produkt für drei verschiedene „Frauenprobleme“ verschrieben bekommen hatten), bekam ich die Antwort: „Das weiß man nicht so genau. Aber manchmal hilft es.“ Ich hatte also die Wahl gegen meine prämenstruellen Beschwerden entweder etwas zu nehmen, von dem meine Ärztin und der Rest der Fachwelt nicht wussten, was es so genau tat, oder ich konnte alternativ noch auf ein Verhütungsmittel zurückgreifen, welches anscheinend eh die Antwort auf alle Fragen war: seien es Pickel, Periodenschmerzen oder heute eben PMS. Ich fühlte mich abermals ziemlich schlecht beraten, und es war auch nicht gerade aufbauend, dass meine Ansprechpartnerin in Sachen Frauengesundheit meinen Fall entweder für unlösbar oder mich und das Thema schlicht für nicht relevant genug hielt.

...

Bei einer Heilpraktikerin kam unsere Autorin schließlich ein gutes Stück weiter. Wie, das lesen Sie in Séparée No.28.

Zurück